Materialtransport von Plaza de Mulas nach Nido de Cóndores
Wie geplant legten wir noch einen Ruhetag ein, bevor der erste Aufstieg von Plaza de Mulas nach Nido de Cóndores erfolgen sollte, um bereits den ersten Teil der Ausrüstung in das nächste Camp zu bringen. Wir entschieden uns dafür, Träger anzuheuern, die uns vor allem beim beschwerlichen Transport der Lebensmittel behilflich zu sein. Durch die Aufteilung der Kosten auf die gesamte Gruppe hielten sich diese wirklich in Grenzen und man kann sich auf diese Weise den Gipfelerfolg noch ein ganzes Stück wahrscheinlicher machen, da man einfach eine Menge Kraft spart. Den Ruhetag nutzten wir dann dementsprechend dazu, die Ausrüstung zu packen und auf verschiedene Säcke aufzuteilen. Zudem machten wir uns mit den Zelten für die Hochlager vertraut, da uns dort keine Domezelte mehr zur Verfügung stehen und wir in Zweimannzelten „wohnen“ würden.
Bei mir persönlich setzte am Abend ein kleines Tief ein, obwohl ich körperlich dem Camp-Arzt zufolge in bester Verfassung war. Woran es gelegen haben könnte, weiß ich bis heute nicht. Vielleicht waren es Nachwehen von meinem Zitterschreck zwei Tage zuvor, vielleicht war es vom Kopf, auf jeden Fall fühlte es sich nicht gut an. Aber wird schon, dachte ich mir. Erstmal eine Nacht drüber schlafen, dann sehen wir weiter.
Am nächsten Morgen sah die Welt dann auch schon wieder anders aus und ich fühlte mich deutlich besser als noch am Abend zuvor. Nach dem Frühstück wurden dann also die Rucksäcke geschultert und die Etappe in Richtung Nideo de Cóndores in Angriff genommen. Dabei ging es direkt vom Start weg sportlich bergauf. Zunächst geradewegs durch ein Schneefeld, anschließend in Serpentinen über Geröll. Das erste Zwischenziel war Camp Canada auf 5.050 Metern. Hier könnte man rein theoretisch auch seine Zelte aufschlagen und den Aufstieg so mit einem weiteren Stopp versehen. Unser Plan war jedoch, Camp Canada auszulassen und direkt nach Nido de Cóndores aufzusteigen.
Um es jedoch direkt vorweg zu nehmen: Für mich endete die Besteiung des Aconcagua genau hier, im Camp Canada. Auch weiterhin fühlte ich mich körperlich fit und gerüstet für den weiteren Aufstieg. Irgendetwas in meinem Kopf sagte mir jedoch, dass ich vielleicht besser nicht weitergehen sollte. Man kann sich vermutlich denken, dass ich einige Zeit mit mir gerungen habe, eine finale Entscheidung zu treffen. Mein Team war dabei wirklich großartig und versuchte mich zu ermutigen, zumindest bis Nido de Cóndores zu gehen und dort dann weiter zu sehen. Alles aber ohne Druck oder Vorwürfe. Für mich war hier jedoch zunächst Ende. Um eine kleine Option offen zu halten, deponierte ich meinen Rucksack unter einem Steinhaufen in Camp Canada, so dass ich rein theoretisch am nächsten Tag den weiteren Aufstieg mit dem Team doch noch hätte in Angriff nehmen zu können. Anschließend sah ich den anderen durchaus wehmütig hinterher und begann meinen Abstieg in Richtung Plaza de Mulas.
Im Zelt angekommen war meine Stimmung natürlich einigermaßen im Keller und die Gedanken, es doch am nächsten Tag zu versuchen oder nach Mendoza zurückzukehren spielten Pingpong. Am Nachmittag kehrte der Rest des Teams dann von Nido de Cóndores zurück, um noch eine weitere Nacht in Plaza de Mulas zu verbringen. Walk high, sleep low. Meine Entscheidung, es nicht weiter zu versuchen verfestigte sich immer mehr und am Abend war ich dann auch komplett im Reinen damit. Bis hier hin war es einfach großartig und manchmal sollte man vielleicht einfach auf sein Bauchgefühl hören. Wo auch immer es in diesem Fall her kam… Während der Rest am Folgetag noch einen Ruhetag vor dem nächsten Aufstieg nach Nido de Cóndores einlegte und die benötigten Lebensmittel vorbereiteten, regelte ich noch die Formalitäten für meinen Rücktransport und marschierte anschließend los in Richtung Camp Canada, um meinen dort am Vortag deponierten Rucksack abzuholen. Ich blieb noch einige Zeit dort oben und genoss die Aussicht über die Anden, völlig im Reinen und zufrieden mit meiner Entscheidung und einfach dankbar für tolle Erlebnisse, ein fantastisches Team und großartige Eindrücke, die ich mit nach Hause nehmen durfte. Klar, ein Funken Enttäuschung, es nicht zum Gipfel des Aconcagua geschafft zu haben, war mit dabei. Allerdings wirklich nur in einer hinteren Ecke meiner Gedanken.
Das gemeinsame Abendessen nutzte ich dann, um mich von meinem großartigen Team zu verabschieden. Nicht ohne Wehmut, wie man sich vermutlich denken kann. Ich schmiss eine Runde Coke, gab dem Rest noch ein paar motivierende Worte mit auf den Weg und auch ein paar Sachen aus meienr Ausrüstung, wie Wärmepads, etc. die für die Höhenlager gedacht waren und die ich nun nicht mehr brauchen würde. Um es direkt hier aufzulösen: Das Wetterfenster hielt und das Team schaffte es tatsächlich auf den Gipfel. Auch wenn ich selbst nicht mit dabei war, bin ich mega stolz auf den Rest der Truppe!