Hakuna Matata Kilimanjaro

Vom Barafu Camp zum Uhuru Peak

Wie angekündigt holte uns unser Kellner Inno um Mitternacht aus dem Schlaf. Ein wenig müde zogen wir die verschiedenen Schichten Kleidung übereinander und pellten uns aus unseren Zelten, um im Essenszelt zumindest noch eine Kleinigkeit zu essen. Mehr als Kekse war dabei allerdings nicht drin. Für den Energiehaushalt sollte man dennoch den einen oder anderen Riegel einpacken, den man sich dann unterwegs nochmal zwischen die Kiemen schieben kann.

Nun war der große Moment also gekommen. Kurzer Check, was sagt der Körper? Nichts. Und das ist ein absolut gutes Zeichen. Keine Kopfschmerzen, kein Husten, der Körper wollte los. Also setzten wir unsere Stirnlampen auf, schulterten unseren Rucksack, nahmen die Wanderstöcke in die Hand und stapften pole, pole im Gänsemarsch hinter Peter her im Lichtkegel unserer Lampen in die Nacht. Die ersten Meter kannten wir ja schon von unserem Akklimatisierung-Spaziergang vom Vortag. Um ehrlich zu sein, habe ich davon aber überhaupt nichts wahrgenommen. Meine Strategie sah so aus, dass ich die meiste Zeit des Weges stumpf auf die Füße meines Vordermannes schauen würde. Zu oft hatte ich im Vorfeld gelesen, dass einen der Blick nach oben komplett frustrieren kann, wenn man die Schlange an Stirnlampen sieht, die unfassbar weit weg ist. Insgesamt sollte der Aufstieg vom Barafu Camp zum Uhuru Peak um die sieben Stunden dauern – die meisten davon in kompletter Dunkelheit.

Ich hielt mich an meine Strategie und so ging es Meter um Meter nach oben. Hin und wieder blickte ich allerhöchstens mal nach rechts, wo sich der Mawenzi befand. Meine Theorie war, dass der Mawenzi so um die 5.500 Meter an Höhe habe und ich mal einen Blick nach oben riskieren könnte, wenn wir auf dieser Höhe angekommen sind. Blöd nur, dass der Mawenzi nur knapp über 5.100 Meter hoch ist und ich entsprechend zu früh meinen Blick hob. Ich kann sagen: Es ist wirklich frustrierend.

Also wieder den Blick auf die Füße des Vordermannes gerichtet und weiter. Dann und wann passierte man einen Gleichgesinnten, der kreidebleich am Wegesrand saß, teilweise vor einer Lache aus Erbrochenem. Da hieß es dann, nur keine negativen Gedanken zulassen, weitergehen, mir geht es gut. Peters Rhythmus passte perfekt für unsere Gruppe. Immer wieder überholten wir langsamere Gruppen, ohne dabei zu schnell zu werden. Um etwas gegen die Eintönigkeit zu tun, entwickelte sich zwischen mir und Inno, der uns gemeinsam mit Peter und unserem Assistant-Guide Bariki begleitete ein kleines Spiel. Während wir in Serpentinen den Berg hinaufgingen, kürzte Inno, wirklich ein Bär von einem Mann, die Kurven ab und wartete dann an der nächsten Biegung auf uns. Beim Passieren warfen wir uns dann auf Swahili wahlweise Sätze wie „Hakuna Matata“ (zu deutsch so etwas wie „kein Problem“) oder „Imara kama simba“ (zu deutsch in etwas „stark wie ein Löwe“) zu, was tatsächlich gut tat. Und dann passierte etwas, was wir in ähnlicher Form bereits am Mount Meru erlebt hatten.

Völlig unvermittelt ging plötzlich hinter dem Mawenzi die Sonne auf. Ziemlich genau in dem Moment, als wir den Stella Point auf 5.756 Metern erreichten und damit den Punkt auf unserer Route, ab dem der Kili als bestiegen gilt. Ich tue mich damit ehrlich gesagt ein wenig schwer, denn aus meiner Sicht ist der Gipfel eines Berges dort, wo er am höchsten ist. Und auch dort ist er erst bestiegen. Sei es drum, der Moment, als einen die ersten Sonnenstrahlen trafen, setzte erneut eine unfassbare Energie frei. Diese, gepaart mit dem Erreichen des Stella Points verschaffte uns Gewissheit, dass wir es auch noch bis zum Uhuru Peak, dem Gipfel des Kibo und damit dem höchsten Punkt Afrikas schaffen würden.

Nach einer kurzen Rast am Stella Point ging es dann auch schon weiter. In der Ferne war bereits das berühmte hölzerne Gipfelschild am Uhuru Peak zu sehen. Dennoch waren es bis dorthin noch einmal ca. anderthalb Stunden in einer Höhe von über 5.800 Metern. Der Weg dorthin glich allerdings eher einem Triumphmarsch, bei dem ich das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekam. Jeder, der einem entgegenkam wurde abgeklatscht. Man hat das Gefühl, als gehörte jeder der den Uhuru Peak erreicht fortan zu einer großen Familie. Das Wetter war perfekt und die Sonne strahlte uns von einem stahlblauen Himmel entgegen. Schon von weitem konnten wir das berühmte, auf tausenden Fotos verewigte Gipfelschild sehen. Auch wir würden diese Bilder in wenigen Minuten knipsen. Auf dem Weg kamen wir an den berühmten Gletschern des Kilimanjaro vorbei, die es so in wenigen Jahren nicht mehr geben wird. Ein faszinierender Anblick mitten in Afrika.

Und dann waren wir da. Ich weiß noch das ich die die letzten Meter mit als Siegespose in die Luft gestreckten Armen gegangen bin, bevor wir uns alle glücklich in die Arme fielen. Während wir geduldig in der Schlange für unsere Gipfelfotos warteten, schaute ich mich um. Knapp 6.000 Meter über dem Meer und bei perfektem Wetter war die Aussicht gigantisch. In der Ferne sah man die Gletscher des nördlichen Eisfeldes des Kilimanjaro. In der anderen Richtung, hinter dem Gipfelschild hat uns der Mount Meru bei unserem Triumph zugeschaut. Rückblickend war die Akklimatisierungstour auf den Meru vermutlich der Schlüssel dafür, dass wir es alle, mit der Ausnahme von sporadisch auftretenden leichten Kopfschmerzen, ohne weitere Symptome der Höhenkrankheit auf den Gipfel des Kilimanjaro geschafft haben. Ich kann jedem, der es versuchen will, nur dringen dazu raten, die Tour im Vorfeld mit zu buchen (siehe auch Tipps für die erfolgreiche Besteigung des Kilimanjaro).

Dann endlich waren auch wir an der Reihe, unsere Fotos am Gipfelschild des Uhuru Peak zu schießen. In allen möglichen Konstellationen posierten wir vor dem großen Schild mit der Aufschrift

Mount Kilimanjaro
Congratulations
You are now at
Uhuru Peak Tanzania 5895M/19341FT AMSL
Africa’s Highest Point
World’s Highest Free-Standing Mountain
One of world’s largest volcanoes
World heritage and wonder of Africa

und platzten fast vor Stolz. Über Jahre hinweg standen hier Holzschilder in verschiedenen Varianten, welche sich jedoch immer wieder dem Wetter beugen und somit neu aufgebaut werden mussten. Zwischen 2011 und 2014 wurde es dann durch ein nicht gerade fotogenes, grünes, mehrteiliges Metallschild ersetzt. Seit 2014 hingegen werden die Gipfelstürmer wieder von einem schönen großen Holzschild begrüßt. Und auch wenn ich mir sicher bin, dass alle, die zwischen 2011 und 2014 vor dem grünen Metallschild posierten ebenso stolz waren wie wir, bin ich doch ein bisschen froh, mein Gipfelfoto vor dem traditionellen Holzschild gemacht haben zu dürfen. Wer sich dafür interessiert, findet übrigens hier eine bebilderte Historie des Gipfelschildes am Uhuru Peak.

Wenn es einen Moment der Glückseligkeit gibt, dann war es dieser hier. Doch ähnlich wie auf dem Gipfel des Mount Meru hieß es auch am Kili wieder recht bald Abschied zu nehmen. Auch wenn wir in diesem Moment nichts als das pure Glück spürten, ist es einfach nicht gut für den menschlichen Körper, sich zu lange in dieser Höhe aufzuhalten. Also hieß es schon bald wieder den Rucksack zu schultern und sich auf den Rückweg zu machen – nach wie vor natürlich mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Allerdings galt auch hier natürlich dasselbe wie beim Abstieg vom Mount Meru. Die Motivation tendierte Richtung Null, vielleicht sogar noch mehr als am Meru. Nun ist wirklich das große Ziel erreicht, wo ist die Seilbahn? Gibt’s nicht. Also doch wieder zu Fuß. Nicht vergessen sollte man dabei, sich rechtzeitig mit Sonnencreme einzuschmieren. Die Sonne brannte inzwischen vom Himmel und kann der westeuropäischen Haut innerhalb kürzester Zeit erheblichen Schaden zufügen. Gerade in dieser Höhe. Selbst wenn der Abstieg auch dieses Mal wieder schneller ging als der Aufstieg, zog sich der Weg ewig. Was dabei nicht wirklich half ist, dass man das Camp schon von weitem sehen kann, es aber irgendwie nicht näherkommen mag. Irgendwann ist es dann aber doch endlich geschafft und Inno begrüßte uns mit der schon vom Meru bekannten Gipfelbrause.

Während sich die meisten anderen Rückkehrer nach den Strapazen des Aufstiegs zur Erholung in ihre Zelte legten, war ich viel zu aufgekratzt, um mich nun hinlegen zu können. Das Adrenalin schoss offenbar immer noch durch meinen Körper. Dabei hätte mir ein wenig Ruhe sicherlich gutgetan, schließlich war auch der heutige Tag noch nicht vorbei, denn Peter wollte mit uns noch bis zum Mweka Camp auf 3.100 Meter absteigen. An klassisches Ausruhen war bei mir aber nicht zu denken, weswegen ich die Zeit nutzte, um die durchgeschwitzten Sachen auf den großen Steinen auszubreiten und in der Sonne zu trocknen. Immer wieder schweifte mein Blick zurück zum Gipfel des Kibo – beinahe ungläubig, dass wir es tatsächlich geschafft haben.

Da wir aber wie gesagt noch einen ordentlichen Weg vor uns hatten, hieß es auch nach dieser „Pause“ wieder Sachen packen und Abmarsch. Der Weg vom Barafu Camp zum Mweka Camp ist als klassische Einbahnstraße angelegt, was bedeutet, dass diese Route ausschließlich für den Abstieg, nicht jedoch für den Aufstieg genutzt wird. Lediglich der eine oder andere Träger kommt uns sporadisch mit Nachschub für das Barafu Camp entgegen. Gegen 16:30 Uhr erreichten wir schließlich das Camp und waren komplett geschafft. Allerdings waren wir inzwischen wieder soweit abgestiegen, dass es sogar schon wieder eine beachtliche Vegetation gab und wir unsere Zelte sogar zwischen größeren Bäumen aufschlagen konnten. Das Atmen der nun wieder mit deutlich mehr Druck und damit Sauerstoff in die Lungen strömenden Luft fühlte sich fast wie neu an.

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